Komplizierte Trauer auch anhaltende Trauerstörung genannt, verstehen
Komplizierte Trauer – auch bekannt als anhaltende Trauerstörung oder „Prolonged Grief Disorder“ – beschreibt eine besonders intensive und langanhaltende Form der Trauer, die über das hinausgeht, was gemeinhin als normale Trauerreaktion betrachtet wird. Diese Form der Trauer unterscheidet sich vor allem dadurch, dass Betroffene auch nach vielen Monaten kaum in der Lage sind, sich an den Verlust anzupassen. Gefühle wie tiefe Sehnsucht, Sinnlosigkeit oder Stillstand bestimmen weiterhin den Alltag.
Seit 2022 ist die anhaltende Trauerstörung als eigenständige Diagnose in der ICD-11 und im DSM-5-TR anerkannt. Die moderne Forschung sieht komplizierte Trauer nicht als psychisches Versagen, sondern als nachvollziehbare Reaktion auf extrem belastende Verlusterfahrungen – insbesondere nach plötzlichem Tod, Suizid, Gewalt oder fehlender sozialer Unterstützung.
Besondere Schwierigkeiten
Menschen mit komplizierter Trauer fühlen sich oft verunsichert, weil sie das Gefühl haben, nicht „richtig“ zu trauern oder mit ihrem Schmerz „festzustecken“. Schuld- und Schamgefühle sind häufig, ebenso wie der Eindruck, vom Umfeld unverstanden zu sein. Außenstehende interpretieren die Trauer oft als übertrieben oder sprechen davon, dass man „endlich loslassen“ müsse. Das erschwert den Trauerprozess zusätzlich. Besonders kritisch wird es, wenn traumatische Aspekte hinzukommen, wie etwa das Miterleben des Todes oder eine schwierige Beziehung zur verstorbenen Person.
Symptome und Erscheinungsformen
Betroffene erleben häufig eine intensive und anhaltende Sehnsucht nach der verstorbenen Person. Das Gefühl innerer Leere, Schwierigkeiten im Alltag zu funktionieren und das Unvermögen, neue Lebensziele zu entwickeln, prägen das Erleben. Grübeln, Identitätskrisen und sozialer Rückzug sind typische Begleiterscheinungen. Oft ist es für Betroffene kaum möglich, wieder positive Gefühle zu empfinden oder sich auf neue Beziehungen und Aktivitäten einzulassen. Die Symptome halten meist deutlich länger als sechs bis zwölf Monate an und führen zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Lebens.
Umgang und Hilfe
Komplizierte Trauer ist behandelbar. Sie ist kein Ausdruck von Schwäche, sondern eine natürliche Reaktion auf außergewöhnliche Umstände. Der wichtigste Schritt ist die Anerkennung der eigenen Situation ohne Selbstverurteilung. Psychotherapeutische Unterstützung – idealerweise durch Fachleute mit Erfahrung in Trauerbegleitung oder Traumatherapie – kann helfen, den Schmerz zu verarbeiten und neue Perspektiven zu entwickeln. Ziel ist nicht, den Verstorbenen „loszulassen“, sondern eine tragfähige innere Verbindung zu ihm oder ihr aufzubauen. Auch Selbsthilfegruppen, kreative Ausdrucksformen und achtsame Alltagsstrukturen können unterstützend wirken.